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#digitalemundigkeit

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Abschluss der Woche in Berlin

Zum Wochenabschluss habe ich heute erstens das Konzept der EPALE-Akademie verschriftlicht und mich dann zweitens auf den Weg nah Berlin zur Wikimedia gemacht. Hier fand die Veranstaltung ‚Populismus, Desinformation und Manipulation. Wie retten wir valides Wissen im Netz?‘ statt. Sie startete mit einer Keynote von Teresa Dapp, die das Faktencheck-Team der dpa leitet. Anschließend war es meine Rolle ein Panel mit Ann-Kathrin Benner (Projektkoordinatorin im Projekt „Netzwerk gegen Hass im Netz und Desinformation“ am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft), Johannnes89 (Wikipedianer) und Robin Miska (Lehrer am Schadow-Gymnasium Berlin) zu moderieren.

Blick aufs Panel (= Screenshot aus dem Livestream)

Ich mochte sowohl das Thema als auch die Zusammensetzung auf dem Podium. Natürlich lässt sich in einer knappen Stunde solch ein Thema nicht wirklich erschöpfend behandeln, aber wir haben doch einiges angesprochen. Hier ein paar Aspekte, die mir besonders im Kopf geblieben sind:

  • Es ist mühsam, aber wichtig und möglich, immer wieder gut zu erklären, wie die Wikipedia funktioniert. Insbesondere, dass es nicht willkürliche Entscheidungen von Adminstrator*innen gibt, sondern Beteiligung von mehreren Redakteur*innen.
  • In der Wissenschaft stehen wir vor der Herausforderung von ‚brüchigem‘ Wissen. Das bedeutet vor allem, dass man nicht nur Wissen reproduzieren kann, sondern Wissen auch immer wieder neu entwickelt werden muss. Dazu braucht es Austausch und es ist wichtig, hier auch Differenzen auszuhalten und zu diskutieren.
  • Lehrkräfte machen an sehr vielen Stellen schon sehr viel für die Entwicklung digitaler Mündigkeit. Es würde sehr helfen, wenn endlich auch strukturelle Änderungen der Lern- und Prüfungskultur solche Versuche unterstützen würden.

Als Moderations-Hack mag ich es, mich selbst überflüssig zu machen, indem ich frage: „Welche Frage würdet ihr Euch gegenseitig stellen?“ Das hat die Diskussion aus meiner Sicht richtig gut vorangebracht.

Und solch eine Vor-Ort-Veranstaltung kombiniert mit einem Stream und einem gemeinsamen Slido ist etwas was hybrid aus meiner Sicht sehr gut funktioniert.

Danke an die Kolleginnen der Wikimedia für die Einladung und an die Beteiligten auf dem Panel für das gute Gespräch!

Nächste Woche steht wieder viel Herumgereise an: erst nach Marburg (= Abschlusstreffen des Netzwerk Medienbildung an hessischen Schulen. Wir entwickeln einen ‚Baukasten‘ für Pädagogische Tage), dann nach Halberstadt (= Beratschlagung mit Kolleg*nnen des LISA zu Lernen statt Lehren) und dann nach Bonn (= Pädagogischer Tag zu KI an einer beruflichen Schule).

Davor freue ich mich jetzt aber erstmal auf ein sonniges Wochenende!

#fedieltern
Kennt Ihr das?
Neue #Kita / #Schule und sofort soll eine Eltern-Chat-Gruppe mit #Whatsapp eingerichtet werden?
Keine Lust, rumzudiskutieren, dass es bessere Alternativen gäbe?

Wir als #Elternbeirat bieten jetzt für alle fünf Einstiegsklassen vorbereitete Chatgruppen mit #Signal an. Unseren Flyer mit Link und QR-Code verteilt die Schule schon bevor die Eltern aufeinandertreffen.

Nachmachen erlaubt. 😉

Resonanzreiche Lernwerkzeuge

Vor gut zwei Jahren (im Frühjahr 2023) habe ich über meine (damals sehr große, weil für mich sehr neue) Faszination gebloggt, mithilfe von KI-Sprachmodellen Mini-Anwendungen für die Lehre entwickeln zu können. Wenn ich diesen Blogbeitrag heute lese, muss ich innerlich schmunzeln, weil mir meine damaligen Beschreibungen doch sehr banal erscheinen. Denn es ist ja noch so viel mehr und anderes möglich! Über meinen bisherigen Lernweg in diesem Bereich und meine daraus gewonnenen pädagogischen Schlussfolgerungen möchte ich im folgenden Blogbeitrag berichten.

Mein Lernweg

Kurz gefasst erfolgte mein Lernen in diesem Bereich …

  • … technisch von einfachen, statischen Anwendungen hin zu „intelligenten“ Apps, die ich (aus meiner Sicht passender) als resonanzreiche Apps bezeichne.
  • … pädagogisch von einer Perspektive des Lehrens hin zu einer Perspektive des Lernens.

Wie so oft gilt auch hier: Das Neue machte das Alte nicht obsolet. Stattdessen erweiterten sich die Möglichkeiten.

1. Faszination über die Möglichkeiten von „Helfer-Tools“

Der erste Schritt meines Lernwegs war meine oben bereits skizzierte Faszination, wie viel gezielter und einfacher ich in meiner pädagogischen Praxis mit KI-Unterstützung Anwendungen entwickeln konnte, die mich früher sehr viel Mühe und Zeit gekostet hätten oder für die ich auf Online-Angebote von anderen angewiesen gewesen wäre.

Zum Beispiel habe ich eine Anwendung gepromptet, die mehrere Lernende zufällig in Gruppen einteilt. Ein anderes Beispiel war ein Kreativitätsbooster: Hier konnten sich Lernende immer wieder neue, zuvor eingegebene Kreativitätsimpulse anzeigen und so in einem Brainstorming unterstützen lassen. Solche Tools gibt es zuhauf im Internet. Neu war für mich nun, dass ich sie mit KI-Unterstützung selbst gestalten konnte – und zwar genau mit dem Design und den Bezeichnungen, die ich haben wollte.

Mein Vorgehen bei diesen und vielen anderen Anwendungen war und ist so, dass ich zunächst mein Anliegen genau beschreibe und mir darauf aufbauend dann von einem Sprachmodell HTML-Code mit integriertem JavaScript generieren lasse. Den Output teste ich dann und korrigiere ihn, wo nötig. Anschließend stelle ich ihn online und nutze ihn in Lernangeboten.

Solch eine Entwicklung hat sich im Laufe der letzten beiden Jahre für mich immer weiter verbessert. Denn einerseits weiß ich inzwischen besser, wo mögliche Stolperfallen liegen, also worauf ich beim Prompten achten muss. Andererseits werden die KI-Sprachmodelle weiterentwickelt und können solche Coding-Schnipsel immer besser generieren.

2. Vom Helfer-Tool zu Austausch und Reflexion

Der zweite Schritt meines Lernwegs war, dass ich nicht mehr ausschließlich Helfer-Tools gestalte, sondern mehr auf Anwendungen ziele, die Gruppenprozesse unterstützen oder als Reflexionsinstrument dienen.

In diesem Sinne habe ich zum Beispiel das Tool „Brainstormrank“ entwickelt: Alle Beteiligten können hier Ideen eingeben und diese anschließend im Austausch bewerten. Am Ende bekommt man ein Ranking angezeigt.

Der Hintergrund dieser und anderen, ähnlichen Anwendungen ist, dass ich mich hier pädagogisch an ‚gutem Rahmenbau‘ orientiere und hier vor allem reflektiere, was in einer zunehmend KI-geprägten Welt wichtiger wird. Soziales Lernen, kollaborative Reflexion und Austausch in Gruppen erscheint mir besonders relevant. Vor diesem Hintergrund finde ich es sinnvoll, KI-Technologie dazu zu nutzen, Anwendungen zu entwickeln, die Menschen in Austausch miteinander bringen.

3. Vom Lehrwerkzeug zu Anwendungen für den eigenen Gebrauch

Der dritte Schritt meines Lernwegs erfolgte, weil ich zunehmend feststellte, wie sehr wir in der pädagogischen KI-Debatte die bestehende Bildungskultur zementieren, anstatt sie neu zu denken. Der Schlüssel, um das zu ändern, ist für mich vor allem, vom Lernen aus zu denken statt von der Lehre.

Bei meinen bisherigen Erkundungen musste ich mir eingestehen, dass ich ganz klar lehrseitig dachte. Zwar ist Lernraumgestaltung auf dem Weg vom Fokus auf Lehre hin zum Lernen bereits deutlich weiter als klassische Instruktion. Viel sinnvoller wäre es jedoch, Lernende dazu zu befähigen, selbst Anwendungen zu erstellen und darüber zu reflektieren. Um diesen Weg pädagogisch umzusetzen, finde ich es hilfreich, zunächst selbst zu erkunden, wie solch eine Entwicklung von Lernwerkzeugen für mein eigenes Lernen funktioniert.

Der erste Versuch hierfür war, dass ich wieder sehr einfache Helfer-Tools gestaltete – nun allerdings nicht mehr für Lernende, sondern für mich selbst. Das mache ich bis heute immer wieder, wenn ich einen Bedarf entdecke. Erst gestern habe ich zum Beispiel einen Mehrwertsteuerrechner mit Pauschalen-Integration gepromptet, um mir das vermaledeite Rechnungsschreiben in meiner Freiberuflichkeit zu vereinfachen. ;-)

Bei diesem und vielen weiteren Beispielen stelle ich immer wieder fest: Sie sind dann für mich hilfreich, wenn sie von meinem eigenen Anliegen ausgehen.

4. Auf dem Weg zum Lernwerkzeug

Eigene Anwendungen für Herausforderungen in meiner Arbeit zu entwickeln, empfinde ich als sehr nützlich. Zugleich ist mir klar, dass diese Tools noch keine Lernwerkzeuge sind. Denn sie helfen mir zwar sehr gut bei der Bewältigung von Herausforderungen, aber ich verwende sie nicht zum Lernen im Sinne von „klüger werden“ oder Selbstentwicklung.

Um das zu ändern, begann ich damit, typische Lernstrategien, die sich für mich als hilfreich erwiesen hatten, in Anwendungen zu übersetzen, die ich dann zum Lernen nutzen wollte. Zum Beispiel kann ich im Sinne von Kreativitätsentwicklung besonders gut neue Ideen entwickeln, wenn ich sie in einem engen Zeitraum aufschreiben muss.

Vor diesem Hintergrund promptete ich mir als Lernwerkzeug eine simple Anwendung, in die ich eine Herausforderung eingeben kann. Dann läuft ein Timer herunter und ich bin herausgefordert, in dieser Zeit so viele Ideen zu notieren, wie mir einfallen. Anschließend zeigt das Tool alle Ideen an, aus denen ich die relevantesten auswählen und zur Weiterarbeit für mich kopieren kann.

Dieses Lernwerkzeug zum Brainstorming ist nur ein Beispiel für eine Vielzahl von Versuchen, die ich in diese Richtung gestartet habe. Ich habe zum Beispiel auch mit einem selbst geprompteten Vokabel-Abfrage-Tool experimentiert, weil ich testen wollte, wie auch solch ein klassisches Faktenlernen mit einem eigenen Lernwerkzeug angegangen werden kann.

Eine Zeit lang machten mir solche Tools viel Freude. Allerdings erkannte ich auch, dass es oft eher Spielerei bzw. Prokrastination als verändertes oder verbessertes Lernen war: Für ein Brainstorming hätte ich mir genauso gut eine Uhr stellen und meine Ideen auf Karten notieren können. Für das Vokabellernen hätte es vielleicht auch einfach ein Karteikasten getan.

Dennoch fand und finde ich es aus einer Perspektive des Lernens hier spannend, dass ich mir eben erst eine Lernstrategie überlege, diese dann in eine Anwendung übertrage – und die Anwendung aufbauend auf einer Reflexion meines Lernens dann immer wieder verändern kann.

5. Lernwerkzeuge mit KI-Unterstützung

Bei der Entwicklung nützlicher Helfer-Tools für mich selbst und andere experimentierte ich mit unterschiedlichen Sprachmodellen. So kam ich zum fünften Schritt meines Lernwegs, der eher zufällig war.

Bei der Entwicklung meiner eigenen Anwendungen hatte ich schon sehr bald die Canvas-Funktion von KI-Sprachmodellen entdeckt. Diese Funktion ermöglicht es, dass ein Inhalt nicht im Chat, sondern in der rechten Seite in einem extra Fenster entwickelt wird. Der große Vorteil dieser Funktion ist erstens, dass ich den klassischen Chat verlasse, in dem ein Code bei Fehlern immer wieder neu generiert wird. Stattdessen kann ich den Output direkt korrigieren und anpassen. Zweitens kann ich in eine Vorschau wechseln und die Anwendung direkt nutzen. Das macht die Entwicklung und Nutzung von Anwendungen für den eigenen Gebrauch und zum eigenen Lernen also deutlich einfacher.

Zufällig stieß ich dann irgendwann beim Ausprobieren beim KI-Sprachmodell Gemini von Google auf einen Sternen-Button neben einer entwickelten Anwendung auf dem dortigen Canvas.

Sternen-Button in Gemini

Ich probierte diesen Button aus und verstand, dass Gemini daraufhin eine direkte KI-Integration in meine gepromptete App vorschlug und einbaute. Ich wusste zwar, dass so etwas grundsätzlich möglich ist – schließlich gibt es jede Menge Apps mit KI-Integration im Internet – aber neu war mir, dass es sich so simpel auch selbst gestalten lässt.

Anstatt mir nur Vorschläge zu KI-Unterstützung in einer App machen zu lassen, begann ich, meine bisherigen Anwendungen direkt zu überarbeiten. Bei der zeitlich getakteten Brainstorming-App ergänzte ich zum Beispiel einen ‚KI-Wettstreit‘. Ich konnte so Idee entwickeln und gleichzeitig beobachten, welche Ideen ein KI-Sprachmodell generierte. Das funktionierte ziemlich gut!

Eine weitere Idee war eine ganz neue Anwendung, um mich in meinem Denken herauszufordern. Hierzu skizzierte ich dem KI-Sprachmodell zunächst einige der wichtigsten ‚Gebote‘ des systemischen Denkens, mit denen ich mich zu der Zeit beschäftigte – und ließ darauf basierend eine Anwendung entwickeln, in die ich eine Herausforderung eingeben kann und die mir anschließend Denkimpulse im Sinne dieser ‚Gebote‘ anzeigt.

Hier kam dann auch der ‚Sternen‘-Button zum ersten Mal zum Einsatz. Ich hatte bereits KI-Integration in dem Sinne in die Anwendung gepromptet, dass basierend auf meinen systemischen Geboten immer ein passender Denkimpuls generiert werden soll. Das konnte ja nicht statisch vorab eingegeben werden. Gemini schlug mir nun noch zusätzlich vor, eine Metapher anzeigen zu lassen oder Anregungen für einen nächsten Schritt.

Mein Lernwerkzeug um weitere KI-Funktionen erweitert

Bei diesen und weiteren Anwendungen mit KI-Unterstützung promptete ich die Anwendungen immer in der Form, dass ich innerhalb der Anwendung nicht einen üblichen KI-Chatbot integrierte, der mit mir dann in einen Dialog trat. Denn dann hätte ich ja auch direkt in einem normalen Chat bleiben können. Stattdessen war meine Angabe zum Beispiel bei der App für systemische Denkimpulse, dass auf Klick von mir einfach jeweils nur ein sehr prägnanter Denkimpuls zu meiner zuvor eingegeben Herausforderung angezeigt werden sollte.

Vor diesem Hintergrund bezeichne ich die entstehenden Lernwerkzeuge mit KI-Integration für mich auch nicht als ‚intelligente‘ Apps, sondern eher als ‚resonanzreiche‘ Apps: Es ist kein direktes ‚Gegenüber‘, das mit mir hier in eine Kommunikation tritt, sondern ich kann mich dank KI-Unterstützung in Resonanz mit all den Überlegungen begeben, die Menschen in den letzten Jahrzehnten ins Internet geschrieben haben. Ich kann und muss dabei bei jedem Impuls für mich reflektieren, was ich dabei für mich sinnvoll finde und was nicht.

Pädagogische Reflexion

Aus einer emanzipatorischen und befähigenden Perspektive finde ich die (oben insbesondere bei Punkt 4 und 5) dargestellte Möglichkeit, Lernwerkzeuge zu entwickeln, zu nutzen und zu reflektieren, aus mehreren Gründen pädagogisch sehr spannend:

  • Lernende starten die Entwicklung solch einer Anwendung jeweils von ihrem Lernen aus. Sie legen in einem ersten Schritt selbst fest, was und wie sie lernen wollen. Die Berücksichtigung und bewusste, eigene Gestaltung von Form und Struktur ihrer Lernprozesse unterscheidet sich deutlich davon, sich einfach nur mit einer Frage an ein KI-Sprachmodell zu wenden.
  • Die Gestaltung von Lernwerkzeugen bringt uns weg von einer vermenschlichten Perspektive auf KI-Anwendungen. Lernende beginnen die Maschine zu kontrollieren, statt sich von ihr steuern zu lassen. Sie erleben sie mehr als Resonanz- und weniger als Antwortmaschine.
  • Da Anwendungen nicht nur entwickelt und genutzt, sondern auch angepasst und verändert werden können, sind Lernende kontinuierlich zur Reflexion ihres Lernens herausgefordert. In diesem Sinne kann man solche selbst entwickelten Lernwerkzeugen als die Modellierung von Lernstrategien verstehen.

Zusätzlich können Lernwerkzeuge in diesem Sinne immer auch kollaborativ gedacht werden. Lernende können ihre Anwendungen teilen und sich mit anderen dazu austauschen. So lässt sich Lernen gemeinsam besser machen.

Lernwerkzeuge selbst zu entwickeln, zu nutzen und zu reflektieren birgt also ein großes pädagogisches Potential. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, Lernende in Lernangeboten dazu ermächtigen. Einen ersten Versuch habe ich hierzu im Rahmen der zurzeit laufenden EPALE-Akademie zum Thema „Twin Transition“ unternommen. Bereits in den ersten drei Lerneinheiten konnten die Teilnehmenden mit verschiedenen KI-Tools experimentieren, um das Thema füpr sich zu erkunden. In der vierten und letzten Lerneinheit ging es darum, aufbauend auf zuvor entwickelten Themenfeldern konkrete Ideen und erste Schritte zur Umsetzung zu entwickeln. Die Leitfrage war: „Was kann ich praktisch tun, um Twin Transition in meiner pädagogischen Praxis umzusetzen?“

Die Befähigung zur eigenen Entwicklung, Nutzung und Reflexion passender Lernwerkzeuge für diese Herausforderung habe ich in drei Schritten versucht:

  1. Im ersten Schritt habe ich eine Anwendung gepromptet und veröffentlicht, die ähnlich wie meine oben beschriebene Brainstorming- und Ideenentwicklungs-App aufgebaut war. Dann habe ich Lernende eingeladen, diese zu nutzen und somit erste Ideen zu entwickeln.
  2. Im zweiten Schritt habe ich transparent gemacht, dass diese App KI-generiert war, und eingeladen, das eigene Lernen mit der App zu reflektieren und die App daraufhin für sich anzupassen.
  3. Im dritten Schritt habe ich die Möglichkeit zur KI-Integration erklärt und die Teilnehmenden zum Experimentieren damit eingeladen.

Du kannst dir die Lerneinheit hier ansehen. Ich erlebe diesen Weg im Rahmen der Akademie grundsätzlich als sinnvoll. Zugleich bin ich neugierig, welche Erfahrungen andere machen – und werde sicherlich noch viel dazu weiter erkunden.

Fazit

Das war meine Darstellung zur Nutzung von KI-Sprachmodellen zur Entwicklung von Anwendungen und Lernwerkzeugen. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass diese Möglichkeiten bisher nur in einem stark monopolisierten, intransparenten Kontext so einfach und niederschwellig umsetzbar sind. Das ist alles andere als zufriedenstellend! Spannend finde ich jedoch, dass mit solchen Erkundungen zugleich durchschimmert, wie eine pädagogisch sinnvolle KI-Technologie aussehen könnte. Ich stelle mir hier eine lokal installierte Entwicklungsumgebung vor, an die mehrere offene und dezentral nutzbare sowie kleinere KI-Modelle und vor allem auch offene Datensätze flexibel angedockt werden können. Lernende könnten sich dann bewusst entscheiden, welche Inhalte sie für ihr jeweiliges Lernwerkzeug nutzen und wie sie damit lernen wollen.

Ich finde diese Perspektive – gerade aufgrund meiner eigenen Lernexperimente – einen sehr sinnvollen pädagogischen Nordstern für die weitere KI-Entwicklung. Als Bild für diesen Beitrag habe ich deshalb auch eine Aufnahme des letzten Chaos Communication Congress (CCC) gewählt. Vor allem in dieser Community von Menschen, die grundsätzlich immer einen gestaltenden und ermächtigenden Blick auf Technologie haben, kann ich mir vorstellen, Bündnispartner*innen für die Realisierung dieses Nordsterns zu finden.

Modellieren mit KI-Sprachmodellen

In meiner pädagogischen Praxis bin ich sehr konstruktivistisch geprägt. Gutes Lernen sehe ich in diesem Sinne weniger als einen Prozess der Wissensvermittlung, sondern mehr als eine Konstruktion von Wissen durch die Lernenden. Spannend finde ich in diesem Kontext dann die Frage, wie solch ein konstruktivistisches Lernen unter Nutzung von Technologie und hier insbesondere von generativen KI-Sprachmodellen entwickelt und gestaltet werden kann.

In diesem Blogbeitrag möchte ich dazu den Ansatz des so genannten Modellierens reflektieren, den ich in drei Varianten in meinem Lernen praktisch ausprobiert und als sehr hilfreich erlebt habe.

Was meint „Modellieren“?

Im Ansatz des Modellierens (oder auch der Modellbildung) geht man davon aus, dass sich in Interaktion mit der Welt mentale Modelle im Kopf entwickeln – und diese dann immer weiter verfeinert werden.

Hier ist ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Mein mentales Modell vom Frühling könnte zum Beispiel umfassen, dass es heller, wärmer und grüner wird. Wenn ich nun (in meiner Interaktion mit der Welt) eine Allergie gegen bestimmte Pollen im Frühling entwickle, werde ich das zu meinem mentalen Modell des Frühlings hinzufügen.

Gutes Lernen kann in diesem Zusammenhang nun so gestaltet werden, dass ich mir die mentalen Modelle in meinem Kopf gezielt bewusst mache, reflektiere und sie dann auf dieser Basis erweitern, verändern oder auch verwerfen kann. Um das zu erreichen, hilft der Prozess des Modellierens.

Modellieren bedeutet: Ich externalisiere ein bestimmtes mentales Modell aus meinem Kopf, wodurch es mir bewusster wird – und arbeite dann daran weiter. Im obigen Beispiel des mentalen Modells zum Frühling könnte ich zunächst alles aufschreiben, was mir zum Frühling in den Sinn kommt und diese Notizen dann clustern und systematisieren.

Bei dieser Modellierung kann Technologie eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere kann sie in Form so genannter Denkwerkzeuge (= Mindtools) unterstützen.

Zur Einordnung ist hier wichtig: Solche Mindtools sind nicht lehrende Tools, also digitale Werkzeuge, die Lernenden Wissen vermitteln. Vielmehr sind es Lerntools: Lernende lernen dadurch, dass sie ihre mentalen Modelle in Interaktion mit der Technologie zu einer Abbildung bringen und dann weiter bearbeiten. (Es ist also eher so, dass die Lernenden dem digitalen Werkzeug etwas beibringen – nicht anders herum.)

Dieser Gedanke wurde maßgeblich bereits Anfang der 90er Jahre von David H. Jonassen entwickelt. Generative KI-Sprachmodelle in heutiger Form hatte er damals allerdings noch nicht im Blick. In seinem Buch ‚Modeling with Technology‘ geht er aber durchaus schon auf ‚Expertensysteme‘ wie Chatbots ein. Wie aber lässt sich dieser Ansatz auf generative KI-Technologie übertragen bzw. ist das überhaupt sinnvoll?

Lassen sich generative KI-Sprachmodelle zur Modellierung nutzen?

Für den Prozess des Modellierens erscheinen generative KI-Sprachmodelle auf den ersten Blick denkbar ungeeignet. Denn sie sind grundsätzlich so gestaltet, dass sie für die Nutzenden etwas generieren oder im pädagogischen Kontext den Lernenden etwas erklären. Der Lernprozess des Modellierens sollte aber ja, wie oben beschrieben, genau umgekehrt ablaufen: Die Lernenden sollten die Technologie als Denkwerkzeuge nutzen, denen sie etwas erklären und so zu einer Modellierung kommen.

Um das zu erreichen, müssen wir also eine kontra-intuitive Nutzung der Technologie anstreben: Nicht als Vereinfachungs- und Automatisierungstools, sondern als Denkwerkzeug. Konkreter formuliert ist also ein Weg gesucht, wie sich mentale Modelle durch Interaktion mit KI-Sprachmodellen erstens externalisieren und zweitens bearbeiten lassen.

Lassen sich mentale Modelle mit KI-Sprachmodellen externalisieren?

Ich habe die Externalisierung mentaler Modelle mithilfe von KI-Sprachmodellen vor allem auf die Art und Weise versucht, dass ich sie unterstützend bei einer Systematisierung und Zusammenfassung eines wahrgenommenen ‚Chaos in meinem Kopf‘ einsetzte.

Dabei ging ich wie folgt vor:
Wenn ich beispielsweise mein mentales Modell von „Konstruktivismus“ externalisieren wollte, dann konnte ich in ein Sprachmodell per Audio alles spontan und unsortiert einsprechen, was mir dazu in den Sinn kam. Danach konnte ich nach einer Strukturierung, Clusterung oder Systematisierung fragen – und erhielt dazu dann einen entsprechenden Output.

Dieses Vorgehen scheint erst einmal sehr nützlich – aber nur solange man allein vom gewünschten Output her denkt. Wenn man vom Lernen im Sinn von Modellieren ausgeht, dann ist dieses Vorgehen sogar schädlich. Denn ich lagere in diesem Fall mein Lernen an das KI-Sprachmodell aus, weil ich eben nicht selbst den Prozess der Externalisierung meines mentalen Modells gestalte, sondern eine (zwar meist gut funktionierende, aber eben nicht lernförderliche) Abkürzung nehme. Oft droht zudem auch die Übernahme stochastischer Oberflächlichkeit, die eigentlich gar nicht Teil meines mentalen Modells war. Denn KI-Sprachmodelle ‚plappern‘ gerne und wir als Menschen nehmen den KI-generierten Output gerne an, weil er oft erst einmal sehr schlau klingt.

(Anders ordne ich diese Möglichkeit zur Systematisierung, Clusterung und Zusammenfassung durch KI-Sprachnmodelle übrigens bei kollaborativen Lernprozessen ein. Hier kann genau diese beschriebene Abkürzung aus meiner Sicht hilfreich sein, um als Gruppe zu einer gemeinsamen Ausgangsbasis zum Weiterarbeiten zu kommen.)

Lassen sich mentale Modelle mit KI-Sprachmodellen bearbeiten?

Während ich wie oben beschrieben bei der Externalisierung mentaler Modelle im Prozess der Modellierung bei generativer KI-Technologie eher skeptisch bin, halte ich eine Bearbeitung und Weiterentwicklung von bereits externalisierten mentalen Modellen für sehr zielführend. Man muss sich dann also in einem ersten Schritt jeweils gut überlegen, wie man ein bestimmtes Modell besser ohne KI-Technologie externalisiert, also in welche Form man es bringt, sodass dann eine Bearbeitung mit KI-Sprachmodellen möglichst gut funktioniert. Das ist aus meiner Sicht dann der Fall, wenn das KI-Sprachmodell als erweiternder, bereichernder Resonanzraum genutzt wird.

Ich habe in diesem Sinne mit drei Varianten experimentiert, die ich im Folgenden vorstelle:

Variante 1: Mindmaps (und ihre Erweiterung)

Die erste Variante ist der Klassiker für die Externalisierung eines mentalen Modells – und wahrscheinlich auch die bekannteste Form. Es handelt sich um Mindmaps oder auch Concept Maps: In die Mitte wird die Bezeichnung des mentalen Modells eingetragen – und drumherum dann alles, was einem zu diesem Begriff einfällt. Mit diesem als Mindmap externalisierten mentalen Modell lässt sich dann zur Erweiterung und Bearbeitung ein KI-Sprachmodell nutzen.

Ich habe dieses Vorgehen ausprobiert, um für mich zum Thema des mobilen Lernens weiter zu ler­nen. Dazu habe ich diese Mindmap aufgezeichnet und auf diese Weise mein (sehr dürftiges) mentales Modell zu diesem Thema externalisiert:

Meine Mindmap zum Thema Mobile Learning

Die Interaktion mit dem KI-Sprachmodell habe ich dann so gestaltet, dass ich zunächst ein Foto der Mindmap geteilt und um eine Zusammenstellung in Textform gebeten habe. Anschließend konnte ich nacheinander alle Bereiche aufrufen und jeweils um Ergänzung, Widerspruch oder Fragen bitten. Den Output, den ich daraufhin von dem KI-Sprachmodell erhielt, konnte ich direkt an mein mentales Modell im Kopf anfügen – und ihn dazu auch in die externalisierte Mindmap einzeichnen. Das hier war am Ende mein Ergebnis (= das überarbeitete mentale Modell):

Meine überarbeitete Mindmap zum Thema Mobile Learning

Das gesamte Experiment habe ich hier ausführlich beschrieben. Ich halte dieses Vorgehen für die wahrscheinlich einfachste und zugleich sehr wirkungsvolle Art der Modellierung mit KI-Sprachmodellen.

Variante 2: Storytelling (und Konzepthinterfragung)

In der zweiten Variante habe ich ein mentales Modell aus meinem Kopf als Geschichte externalisiert – also die Technik des Storytelling genutzt. Mein Beispiel war hier das Konzept der proaktiven Zusammenarbeit im Kontext von KI. Ich habe dieses Konzept hier ausführlich beschrieben.

Meine Geschichte war – orientiert am klassischen Storytelling – die Geschichte von drei Kolleg*innen, die immer gut zusammengearbeitet haben, bis plötzlich KI-Modelle auf den Markt kamen und zunehmend Misstrauen in die Zusammenarbeit einfloss. Um wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückzufinden, haben sie beschlossen, immer direkt transparent zu machen, ob und wenn ja wie KI genutzt wurde – und zwar schon bevor die Frage danach gestellt wird. Das klappte ganz wunderbar, und die drei fanden nicht nur zu vertrauensvoller Zusammenarbeit zurück, sondern lernten auch den Umgang mit KI-Modellen immer besser, weil sie gemeinsam dazu reflektieren konnten. So war dann also alles war wieder gut. 🙂

Diese Geschichte ließ sich schnell und einfach per Audio an ein KI-Sprachmodell weitergeben. Wichtig war hier: Ich habe mir zuvor die Geschichte bewusst überlegt – und nicht einfach irgendetwas eingeplappert. Es ging also im ersten Schritt um eine gezielte Externalisierung des mentalen Modells der proaktiven Transparenz durch Storytelling.

In Interaktion mit dem KI-Sprachmodell habe ich dann zunächst darstellen lassen, welches mentale Modell hier wohl dargestellt wird. Das hatte den Zweck eines Gegenchecks, ob meine Externalisierung funktioniert hatte. Nachdem das gut klappte, fragte ich das KI-Sprachmodell nacheinander nach drei alternativen Geschichten mit einem dann negativen Ende. Damit wollte ich mein mentales Modell auf die Probe stellen, um es so weiterentwickeln zu können.

Diese drei Geschichten erhielt ich:

Aus diesen Geschichten konnte ich dann die folgenden Weiterentwicklungen meines mentalen Modells zu proaktiver Transparenz ableiten:

  1. Das Konzept muss rechtzeitig kommen. Sonst kann es für Vertrauen schon zu spät sein.
  2. Transparenz reicht nicht. Es muss auch eine Befähigung bzw. eine Ermächtigung aller Beteiligten erreicht werden.
  3. KI ist nicht nur einfach ein Werkzeug, sondern es muss auch Raum sein, über die ethischen Implikationen zu reflektieren.

Insgesamt finde ich, dass die Weiterentwicklung meines mentalen Modells über diesen Weg der Externalisierung als Geschichte und der Umformulierung der Geschichte durch ein KI-Sprachmodell sehr lernförderlich war. Zugleich macht der Ansatz des Storytelling viel Freude, weshalb ich auch diese Variante der Modellierung mit KI-Sprachmodellen weiter empfehlen kann.

Variante 3: Thesen (und ihre Überprüfung)

Mein dritter Versuch war eine Externalisierung eines mentalen Modells als prägnante These. Ich nutze hier mein entwickeltes mentales Modell zur lernförderlichen KI-Nutzung.

Als These formuliert lautet es:

Je mehr Interaktion und Input bei der Interaktion mit KI-Sprachmodellen, desto lernförderlicher.

Diese These ordnete ich als externalisiertes mentales Modell ein. In Interaktion mit einem KI-Sprachmodell experimentierte ich damit, wie sich eine Weiterentwicklung meines mentalen Modells gut erreichen lassen könnte. Wichtig war mir hier zunächst die Festlegung, immer ganz prägnante Antworten zu geben.

Dann fragte ich zunächst nach drei Aspekten, die die These bestätigen. Hier erhielt ich diese drei Punkte:

  • Nutzer müssen sich aktiv mit Inhalten auseinandersetzen.
  • Rückfragen und Feedback ermöglichen direktes Lernen.
  • Vielfältiger Input führt zu tieferer Auseinandersetzung.

Dann fragte ich nach dreimal Widerspruch und erhielt diesen:

  • Zu viel Input kann überfordern und Lernprozesse hemmen.
  • Qualität des Inputs ist oft wichtiger als Quantität.
  • Passive Nutzung kann dennoch effektive Impulse geben.

Schließlich fragte ich nach drei möglichen Erweiterungen:

  • …wenn die Interaktion zielgerichtet und reflektiert erfolgt.
  • …insbesondere bei individualisiertem Feedback.
  • …vorausgesetzt, der Nutzer bringt Vorwissen mit.

Zum Abschluss fragte ich nach einem Fallbeispiel, wo die These zutrifft, und einem, wo sie nicht zutrifft. Das war die Antwort:

  • Zutreffendes Fallbeispiel: Ein Schüler nutzt ein KI-Modell, um Matheaufgaben zu lösen, stellt Rückfragen bei Unklarheiten und erhält Erklärungen, wodurch er Konzepte besser versteht.
  • Nicht-zutreffendes Fallbeispiel: Ein Nutzer interagiert viel mit dem KI-Modell, stellt aber irrelevante oder oberflächliche Fragen, ohne auf die Antworten einzugehen – kein echter Lernzuwachs.

Auf dieser Basis hatte ich viele Anregungen, um meine These zu reflektieren – also um mein mentales Modell weiter zu entwickeln. Im Ergebnis habe ich insbesondere versucht, sie auch mehrdeutiger zu formulieren und kam zu diesem Ergebnis:

Je personalisierter, von Neugier getrieben und interaktionsgeleiteter die Nutzung von KI-Sprachmodellen, desto größer kann der Lernzuwachs sein.

Auch diese Variante der Modellierung in Thesenform fand ich für mich sehr hilfreich. Besonders die Generierung eines zutreffenden und eines nicht-zutreffenden Fallbeispiels werde ich sicherlich noch häufiger nutzen.

Fazit

Spannend finde ich an diesen Experimenten vor allem, dass sich der Einsatz von Technologien im Modellierungsprozess gewissermaßen verschiebt:

  • Für die reine Externalisierung mentaler Modelle bleibt klassische Technologie – etwa eine Mindmap-Software, wie sie Jonassen bereits vorgeschlagen hat – nach wie vor völlig ausreichend bzw. ist sogar der lernförderliche Weg, um nicht für das Lernen hinderliche Abkürzungen zu nehmen. Ich mache diesen Schritt nun sogar gerne ganz haptisch.
  • Neu und weiterführend ist hingegen der Resonanzansatz mit generativen KI-Sprachmodellen, die gerade bei der Bearbeitung und Verfeinerung bereits externalisierter Modelle als Mindtools fungieren können.

Meine drei Versuche haben mir gezeigt, wie hilfreich die Nutzung solch eines erweiternden Resonanzraums bei der Modellierung und damit beim Lernen sein kann. Ich halte es für sehr lohnend, weiter in diese Richtung zu experimentieren. Vielleicht hast Du ebenfalls Lust, dazu zu erkunden. Viel Freude dabei – und ich bin gespannt, was du an Erkenntnissen teilen wirst.

TikTok-Tag in Rendsburg

Nach dem gestrigen Tag in Marburg war ich heute im Rahmen der von mir mit der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendarbeit konzipierten TikTok Fortbildung in Rendsburg. Es war der Präsenztag in der Fortbildungsreihe und wir hatten mit dem Nordkolleg einen sehr schönen Tagungsort, den ich weiter empfehlen kann: vielfältige Räume, viel Platz, viel Grün und Ruhe, gute Küche … Ich habe mich sehr wohl gefühlt.

Impression aus dem Naturgarten im Nordkolleg

Wir sind in der Fortbildungsreihe rund 12 Personen – also eine überschaubare Gruppe. Eigentlich war größer geplant und dann als Barcamp. Auch in dieser kleinen Gruppe klappte das Barcamp-Prinzip aber gut. Wir haben eben etwas mehr strukturiert und erst ein Mini-Barcamp gemacht, später am Nachmittag eine Werkstatt und dazwischen einen Erfahrungsbericht. Immer stand der Austausch und die Themen der Teilnehmenden im Fokus. Das hat sehr gut funktioniert! Das Mini-Barcamp haben wir mit 3 Slots zu je 30 Minuten gestaltet – und hatten immer drei Themen parallel. Die Werkstatt ging über eine gute Stunde und auch hier gab es drei Gruppen.

Ich habe im Mini-Barcamp Loops vorgestellt – als relativ neuen TikTokähnlichen Fediverse-Dienst. Dazu habe ich mir dort jetzt auch einen Account angelegt. Der Dienst ist noch sehr neu und damit sehr im Aufbau. Ich finde es spannend, die Entwicklung mitzuverfolgen!

Mein Loops-Profil

Ansonsten habe ich heute einen ‚handschriftlichen‘ Kartenaustausch zum Einstieg gestaltet – was ich im Kontext von KI eine sehr schöne Variante fand! Vor allem war es auch deshalb eine interessante Erfahrung, weil diese Möglichkeit vorher nicht in meinem Handlungsrepertoire war. Konkret war ich schon auf dem Weg nach Rendsburg und dachte: „Mist, ein Kartenaustausch mit Fragen zu Beginn wäre cool, aber wo bekomme ich jetzt noch einen Drucker her?“ Es brauchte ziemlich viel Zeit in meinem Kopf bis ich auf die (eigentlich sehr naheliegende) Variante kam, dass ich auch einfach ein paar Fragen per Hand auf Karten schreiben könnte ;-)

Handgeschriebene Kartenaustausch-Karten

Social Media Verbot für Jugendliche? Vom Baden wird abgeraten!

Ich verfolge die Diskussion über ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche mit Interesse und möchte in diesem Blogbeitrag ein paar Gedanken dazu teilen. Da ich mir bis jetzt noch keine abschließende Meinung zu dem Thema gebildet habe, ist der Beitrag vor allem als „lautes Nachdenken“ zu verstehen.

Ausgangspunkt: Verbote und mögliche Alternativen

Ausgangspunkt meines Nachdenkens war ein Spaziergang an der Saale. Es gibt dort mehrere inoffizielle Badestellen, mit aufgeschüttetem Sand und Bänken. Vor allem im Sommer sind sie ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Selbst jetzt im Winter werden sie von vielen Menschen zum ‚Eisbaden‘ genutzt. Fast wäre es so gekommen, dass das Baden in der Saale ganz verboten worden wäre. Denn die Saale ist ein Fließgewässer, und ihre Verkehrswege werden nicht überwacht. Durch die vor allem in der Mitte des Flusses starke Strömung gab es auch schon Unfälle.

Anstelle des Verbots kam es zu einem Kompromiss: An den Badestellen sind Warnhinweise aufgestellt, auf denen vom Baden abgeraten wird. Wer trotzdem baden will, kann es tun.

Warnhinweis an der Saale

Diese Lösung zeigt: Es gibt nicht nur die Option von Verbot oder Laissez-faire, sondern auch einiges dazwischen. Genau das lohnt sich in Bezug auf die Debatte um Verbote von Social Media für Kinder und Jugendliche genauer anzuschauen. Aus meiner Sicht lassen sich drei Wege unterscheiden.

Weg 1: Social Media Verbot

Der erste Weg wird gerade sehr viel diskutiert, und es gibt gefühlt auch sehr viel Zustimmung dafür. Heute Vormittag wurde mir zum Beispiel eine Umfrage in meiner LinkedIn-Timeline angezeigt, wonach sich 9 von 10 Erwachsenen für Altersgrenzen bei Social Media aussprechen. Rund die Hälfte scheint für ein Verbot der Nutzung bis 16 Jahre zu sein.

Der große Vorteil von diesem Weg ist die Einfachheit, weil es eine klare Regel gibt, die dann umgesetzt bzw. sanktioniert werden kann: Wer unter 16 Jahre alt ist, darf kein Social Media nutzen. Wer älter ist, darf Social Media nutzen.

Ich bin in den 80er Jahren ganz ähnlich in Bezug auf das Fernsehen aufgewachsen: Bis ich ungefähr 12 Jahre alt war, war Fernsehen Zuhause verboten! Das war sowohl für meine Eltern als auch für mich im Alltag ziemlich einfach, weil es eine klare und feste Regel war und man über das Thema somit nicht dauernd immer wieder diskutieren musste.

Als meine Kinder kleiner waren, habe ich einen anderen Weg versucht: Wir haben immer wieder gemeinsam besprochen, was wann angeschaut werden darf. Das gab viele Diskussionen und war oft ziemlich anstrengend. Dieser Transfer zeigt aber auch schon, dass die Einfachheit als der große Vorteil des Verbotsweges zugleich sein größter Nachteil ist: Der Weg ist vielleicht zu einfach für solch ein komplexes Thema!

Wenn ich wieder auf das Beispiel mit dem Schwimmen in der Saale blicke, dann wäre ein Verbot vor allem aus zwei Gründen schwierig gewesen:

  1. Es gibt viele (auch junge) Menschen, die sehr sicher schwimmen können. Auch sie wären dann vom Verbot betroffen gewesen. Wenn man das Verbot mit einer bestimmten Altersgrenze gemacht hätte, dann wäre es ziemlich ungerecht gewesen, weil es z. B. 10-Jährige gibt, die deutlich sicherer schwimmen können als manche ältere Menschen. Wenn man sich die unmündige Social-Media-Nutzung vieler Erwachsener anschaut, dann ist dieses Beispiel durchaus auf Social Media übertragbar.
  2. Die Badestellen an der Saale mitten in der Stadt sind eine wunderbare Gelegenheit, um den Umgang mit dem Wasser zu erlernen. Sie sind offen für alle zugänglich und einfach zu erreichen. Sehr viele Kinder lernen dort voneinander oder von ihren Eltern schwimmen. Viele andere nutzen die Badestelle für regelmäßiges Training. Ein Verbot würde bedeuten, diese Lern- und Trainingsmöglichkeiten auszuschließen. Auch das lässt sich auf Social Media übertragen.

Weg 2: Nutzung mit Warnung

Der zweite Weg ist die Variante, die hier bei uns an der Saale gewählt wurde. Das Baden ist nicht verboten, aber es wird davon abgeraten bzw. davor gewarnt. Auch diese Variante hat Vorteile und Nachteile.

Zu den Vorteilen zählt, dass alle, die wollen und sich sicher genug fühlen, trotzdem schwimmen können. Alle anderen wissen, dass sie vorsichtig sein sollten. Erwachsene Menschen können hier für jüngere Menschen Verantwortung übernehmen und z. B. darauf aufpassen, dass ein Kind, das noch nicht sicher schwimmt, nicht tief ins Wasser geht.

Dieser Vorteil führt damit auch direkt zum Nachteil: Die Verantwortung wird diffundiert. Es ist nicht klar, wer eigentlich genau darauf aufpassen soll, dass nichts passiert. Im Grunde ist jede Person für sich allein verantwortlich und damit Eltern für ihre Kinder.

Übertragen auf Social Media kann dieser Weg zu einer sozialen Schere führen: Manche Erziehungsberechtigte sind selbst sehr medienkompetent und können ihre Kinder gut begleiten. Andere verfügen selbst über keine oder nur wenig Medienkompetenz, was zu Lasten der Kinder gehen kann. Wenn man deshalb diesen Weg wählt, dann gehört unbedingt dazu, dass Medienkompetenz eine öffentliche Bildungsherausforderung sein muss. Angesichts der vielen Herausforderungen, vor denen das Bildungssystem steht, ist diese Forderung aber natürlich auch nicht so einfach.

Weg 3: Ungefährliche Nutzung ermöglichen

Neben dem Badeverbot und den Warnschildern ist auch noch ein dritter Weg denkbar – und über diesen Weg denken wir aus meiner Sicht viel zu wenig nach: Wir könnten dafür sorgen, dass an der Badestelle alle ohne Gefahr baden können: Man könnte einen Bereich zum Schwimmen absperren, schwimmenden Personen Vorfahrt vor dem Schiffsverkehr geben, Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität umsetzen oder eine Badeaufsicht einsetzen, die bei Gefahr interveniert. (Ich bin keine Expertin für Sicherheitsaspekte an Badestellen, vielleicht sind die Vorschläge also Quatsch, aber der grundsätzliche Weg wird damit hoffentlich deutlich).

Übertragen auf Social Media würde das bedeuten: Wenn Social-Media-Plattformen so gestaltet sind, dass Jugendliche sie nicht ohne Gefahr nutzen können, dann gibt es nicht nur den Weg des Verbots und der Warnung, sondern auch den Weg von strukturellen Änderungen. Philippe Wampfler schlägt in diesem Sinne zum Beispiel vor, zu regeln, wer welche Werbung schalten darf (und er hat in diese Richtung noch einige weitere Vorschläge).

Der große Vorteil von diesem Weg ist, dass Social Media auf diese Weise für alle, nicht nur für Kinder und Jugendliche, zu einem besseren Ort wird. Man würde anerkennen, dass der Online-Raum für immer mehr Menschen ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer Lebensrealität ist – und würde gerade deshalb dafür sorgen, dass sich dort alle wohlfühlen können.

Der Nachteil ist, dass es erst einmal sehr unrealistisch und nicht durchsetzbar erscheint. Auch lässt sich einwenden, dass das ganze Internet inzwischen so groß und wirkungsmächtig ist, dass es gar nicht mehr möglich ist, mit Regulierung dagegen anzukommen. Ich finde hier, dass wir es trotzdem versuchen sollten.

Fazit

Wenn ich die Debatte um Social-Media-Verbote bei Kindern und Jugendlichen beobachte, dann scheint mir der große Schwerpunkt in der Debatte auf dem ersten Weg des Verbots zu liegen. Ich finde es wichtig, dass wir uns viel mehr als bisher auch über die Wege 2 und 3 unterhalten. Denn mindestens als mittel- bis langfristige Lösung hin zu einer digital mündigen Gesellschaft scheinen sie mir komplexer, aber gerade deshalb wahrscheinlich mindestens ebenso wichtig zu sein. In jedem Fall freue ich mich über die Diskussion, die längst überfällig ist.

Update, 6. Januar 2025: Mir ist noch eine weitere Möglichkeit eingefallen: Man könnte auch eine alternative Badestelle gestalten und für deren Nutzung werben. Übertragen auf Social Media wären wir dann beim Fediverse.

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