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Nele Hirsch

Gibt es aus Eurer Sicht grundlegende Unterschiede zwischen der im 19. Jahrhundert beklagten 'Lesesucht' und dem heutigen Diskurs zu 'Smartphonesucht'?

Hintergrund: Die Verknüpfung transportiert eine aus meiner Sicht richtige Kritik an einer 'Bewahrpädagogik', an Kulturpessismus ('Die Jugend von heute wird immer schlimmer!') und fehlender Selbstermächtigung von Lernenden. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob der Raum für 'Mündigkeit' angesichts der aktuellen technologischen Entwicklungen und der vorherrschenden Plattform-Geschäftsmodelle im Internet heute nicht doch auch tatsächlich begrenzter ist - und ob wir das nicht mehr als Ausgangspunkt zum pädagogischen Handeln nehmen müssen.

(Konkreter Anlass: Die Schlusspunkt-Kolumne in der aktuellen Pädagogik von @joeran, in der er einen 'Lesesucht-Text' aus dem 19. Jahrhundert mit Textersetzungen hin zu Smartphone wiedergibt. Hilfreich zum Weiterdenken finde ich außerdem diesen Text von @phwampfler -> schulesocialmedia.com/2023/05/)

Schule Social MediaDas Problem an »Bauchgefühl«-MedienpädagogikBy Philippe Wampfler

@ebildungslabor @joeran @phwampfler
Auf den ersten Blick würde man das Suchtpotenzial von Smartphone anders bewerten als das von Büchern. Auch scheinen mir die Nebeneffekte exzessiver Smartphonenutzung andere als die exzessiver Buchnutzung. Das ist jedoch nur ein schneller erster Blick.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler Spannend ist, dass der Wechsel zu dem neuen Leitmedium "digital-vernetzt" einerseits als "einmalig" + "außergewöhnlich" geframed wird, um dann wieder vordigitale Analogien zu bemühen, um zu zeigen, dass es das ja immer schon gab. Das funktioniert rein logisch eigentlich nicht zusammen.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler Beispiel Jugendschutz: Pornografie war vordigital recht zugangsbeschränkt und zeitlich und räumlich begrenzt verfügbar. Das ist heute grundlegend anders. Jetzt kann man postulieren, dass Pornografie heute bestimmt genauso wenig konsumiert wird wie vordigital und seriöse Studien dazu fordern (die es nicht geben kann, weil man dazu den kulturellen Wandel hätte vorausahnen müssen).

@ebildungslabor @joeran @phwampfler Oder man kann hypothetisch annehmen, dass Konsum und Verfügbarkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit korrelieren.

@mpblkclp @joeran @phwampfler

Ja, aber dann eben auch zu anderen Kompetenzen, Filtern, gesellschaftlichen Praktiken ... im Umgang damit führen. Oder?

@ebildungslabor @joeran @phwampfler Aus der Sicht von immens privilegierten Personen gehe ich da mit - wobei "anders" noch genauer zu definieren wäre. Wir haben aber schon so unsere gesellschaftlichen Probleme im Bereich der Jugend, deren Ursachen wahrscheinlich multikausal sind. Ich behaupte einmal, dass wir viele gesellschaftliche Kontexte aus einer im Vergleich(!) recht abgehobenen Position nicht wahrnehmen (können).

@mpblkclp @ebildungslabor @phwampfler Sorry, die Diskussion habe ich wohl verpasst. Mit meiner Kolumne zielte ich nicht auf Parallelen auf Seite der Probleme, sondern auf Seiten der (pseudo-)pädagogischen Reaktionen.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler ob der „Raum für Mündigkeit“ „begrenzter“ ist 🤔
Oder ist die Anforderung an Mündigkeit und diese zu erhalten „nur“ größer?
These: Mündigkeit erfordert mehr Aufwand per se und mehr Aufwand, Kompetenzen aktuell zu halten.
Quellen sind weit diverser und die Echtheit/Unverfälschheit von Originalen weit schwerer zu beurteilen.
MashUp sind leichter & die Art der Kommunikationsmittel vielschichtiger.

@poldemo

Danke und ja. Mit dieser These würde folgen, dass Menschen heute 'klüger' sein müssen als früher.

@phwampfler schreibt:
"Oft entstehen Kompetenzen und gemeinschaftliche Praktiken, wenn Phänomene häufiger auftauchen; Menschen entwickeln Filter und Bewältigungsstrategien. Sie werden bei Belastungen im einen Bereich in anderen Bereichen entlastet."

Hier würde ich ergänzen: Von allein entsteht das aber nicht unbedingt. Es braucht also mehr und besseres pädagogisches Handeln.

Und vielleicht könnte das schon ein wichtiger Unterschied zwischen 19 Jht. und heute sein.

(Was auch gut zu @lisarosa Text 'Literacy 2.0' passt: shiftingschool.wordpress.com/2)

@joeran

shift.too short;didn’t understand – Warum Literacy 2 für Alle gebraucht wirdSchulentwicklung trotz Lehrermangels? Kürzlich fragte Jöran in der Facebook-Ankündigung seines Videos zur „Selbstlern-Revolution“, ob es derzeit und in absehbarer Zukunft noch opportun sei, an schu…

@ebildungslabor @joeran @phwampfler @lisarosa 🤔😆 da ist die große Frage: was ist denn nun Klugheit oder auch Intelligenz? Und ist der Grad nicht in doppelter Weise dynamisch: durch eigenes (Zu)Tun einerseits, aber durch Änderung der Bezugsgröße andererseits? Stillstand (nicht nur im Sinne von Verlernen oder Vergessen) ist Rückschritt? - und was bedeutet das für „künstliche Intelligenz“? Die verlernt und vergisst nicht? Ist das „besser“?

@ebildungslabor @joeran @phwampfler Der Lesesucht-Vorwurf richtete sich, glaube ich (ohne Experte zu sein) explizit oder de facto vor allem gegen Frauen. Wenn man das frühe 19. Jahrhundert noch dazu nimmt, dann passt das zu einer Furcht vor der Verweichlichung von Männern - französisieren statt wehrhaft turnen. Diese Komponente scheint mir beim Smartphone zu fehlen, außer man verallgemeinert das sehr. (Ansonsten bin ich bei dem Thema schon froh, wenn nicht Sokrates falsch zitiert wird.)

@ebildungslabor

Der Unterschied scheint mir der geziehlte Ansatz ein Suchtverhalten zu erzeugen, sprich das "Rennen um die Aufmerksamkeit".

Der verlinkte Text befasst sich mit Inhalten nicht dem Grundsätzlichen Problem einer lediglich virtuellen sozialen Interaktion.

Ein Thema ist die Konsumgesellschaft, der Konsum von Nikotin erzeugt eine "echte" Abhängigkeit und körperliche Schäden.

Aufmerksamkeitsspanne z.B. ist eine Kapazität die offensichtlich beinträchtigt wird.

@joeran @phwampfler

@ebildungslabor @joeran @phwampfler ohne die kolumne gelesen zu haben und unabhängig davon, dass in beiden fällen die tendenz besteht, neue entwicklungen pauschal zu verurteilen: "lesesucht" betrifft lange texte, erfordert konzentration und führt zu reflexion über lebensentwürfe. "smartphonesucht" betrifft i.d.r. sehr kurze texte oder bilder und führt schon wegen der oberflächlichkeit der texte eher selten zu reflexion.

@thaden @joeran @phwampfler

Danke. Das denke ich aus 'Bauchgefühl-Perspektive' mit dem Hintergrund einer bildungsbürgerlichen Sozialisation, in der der Wert von Literatur sehr wichtig war, auch manches Mal so. Lesen kann aber ja schon auch Groschenromane sein und Smartphonenutzung kann soziale Vernetzung oder das Finden neuer Perspektiven sein. Es hilft deshalb denke ich nicht weiter, das eine (= Lesen) pauschal 'besser' (bzw. bildungsförderlicher) einzuordnen, als das andere (= Smartphonenutzung). Wenn man das eigene Bauchgefühl reflektiert, wird das aus meiner Sicht auch schnell klar.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler "Bauchgefühle" und "pauschal" sind natürlich immer so ne Sache - ich bin hier kein Experte.

Trotzdem sehe ich einen qualitativen Unterschied zwischen Sozialen Medien und Literatur, selbst wenn es "nur" Groschenromane sind. Das eine dient der Vernetzung, ist also quasi absichtlich de-zentrierend, de-fokussierend, das andere zieht in eine Geschichte hinein, ist also zentrierend und fokussierend.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler ...beides hat natürlich seine Berechtigung, das Eine ist nicht besser oder schlechter als das Andere, aber ich würde schon sagen, dass es vielen Schüler*innen für eine gute Integration in die heutige Gesellschaft an Fokussierung fehlt, nicht an Vernetzung im Privaten.
Momentan wäre mehr Literaturkonsum hilfreich.

Das habe ich möglichst wertfrei beschrieben, weil sich ja Gesellschaft auch ändern kann und ändern soll.

@ebildungslabor @joeran @phwampfler aus elternperspektive finde ich deswegen Studien in dem Bereich so wichtig. Da gibt es einiges für Kleinkinder, aber für größere noch sehr wenig. In den USA läuft wohl eine grosse panelstudie zur Auswirkung der medienutzung auf Teens. Ich hoffe, es gibt verlässliche Daten bis mein Kind in dem Alter ist.🫣