Im Deutschlandfunk habe ich von einem Journalisten gerade den Ausdruck »2. deutsche Diktatur« als Bezeichnung für die DDR gehört. Das wirft natürlich die Frage auf, wieviele Diktaturen es in Deutschland gab und seit wann.
Ich habe im DDR-Geschichtsunterricht aus Gründen nicht aufgepasst, und nach der »Wende« waren andere Zeitabschnitte dran. Gab es vor der Hitlerei Diktaturen auf deutschem Boden? Oder waren die Staaten vor der Weimarer Republik demokratischer als die DDR? Mag mir das jemand erklären?
@chpietsch Selbsternannte Friedrichs und Wilhelms "von Gottes Gnaden" zählen für bestimmte Leute halt nicht als Diktatoren. Alte deutsche Tradition.
@dozykraut @chpietsch eher eine europäische Tradition glaube...
@chpietsch ich glaube mal gelesen zu haben dass das Konstrukt "Nationalstaaten" ein relativ neues Konstrukt aus dem 18. -19. Jahrhundert ist, also kann ich mir auch vorstellen dass es vor der Weimarer Republik nicht viele deutsche Staatsformen gab.
Ansonsten kann ich Matthias von Hellfeld empfehlen, vielleicht könnte in dieser Folge von wrint mehr zu dem Thema vorkommen... https://wrint.de/2019/10/07/wr998-von-anfang-an-europa-vii/
@chpietsch Ich würde sagen, dass das Kaiserreich 1871-1914 demokatqtischER war als die DDR, ja. Dass z.B jemand wie Karl Liebknecht in der DDR im Parlament gesessen hätte wäre undenkbar. Macht es keine Demokratie, aber Diktatur waere auch nicht passend.
Einzelstaaten vor 1870 nicht als "deutsche" Diktaturen zu zählen finde ich historisch richtig.
@adam42smith @chpietsch ich würde jetzt nicht so weit gehen, das deutsche Kaiserreich als demokratisch zu bezeichnen. Das Kriegskabinett 14-18 war n.E. diktatorisch angelegt
@j_sci @chpietsch Sowohl "keine Demokratie" als auch 1914 als Ende habe ich ja auch explizit so geschrieben.
Die 2. Diktatur Sprache finde ich politisch trotzdem etwas komisch. DDR ist ja deutlich kürzer und was will man damit erreichen, anders als DDR und 3. Reich irgendwie auf die gleiche Ebene zu stellen, was so ein bisschen nach kaltem Kriegs Antikommunismus riecht.
@chpietsch Sehr wichtig in der bürgerlichen Geschichtsschreibung:
Monarchie ist keine Gewaltherrschaft.
Der Faschismus hat sich die Macht ergriffen und alle gezwungen, mitzumachen, ergo, Diktatur. Bürgerliche Steigbügelhalter, Großindustrielle mit Interessen und Begeisterung, jubelnde Massen sind in der rechtfertigenden Geschichtsschreibung mindestens unwichtig für die Macht der Faschist.innen und ihre Vernichtungsfeldzüge in Deutschland und außerhalb.
Die DDR war »sozialistisch«, das ist gleichzusetzen mit Diktatur. Wer differenzierter hinschaut, gar Parallelen im Positiven und Negativen in DDR und BRD sieht, die sind eine Gefahr für die Freiheitlich-demokratische Grundordnung. Wie die FDGO definiert wird, ergibt sich aus dem Gebrauch dieses schwammigen und deshalb politisch so brauchbaren Begriffs: Setze »Kapitalismus« dafür ein.
Die DDR hatte einige Gewaltherrschaftsmerkmale mehr als die BRD, zumindest offen. Ich denke trotzdem, dass die Gleichsetzung mit dem Faschismus der Relativierung dessen dient.